–Compliance-Leitlinie –
Der Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft e.V. vertritt die Interessen der versicherungsnehmenden Wirtschaft. Er bekennt sich uneingeschränkt zu den Prinzipien der freien sozialen Marktwirtschaft und damit zu den Grundsätzen eines unverfälschten Wettbewerbs. Bereits die Gründung des GVNW vor über 100 Jahren war eine Abwehrmaßnahme der deutschen Industrie gegen das damalige Preiskartell der Feuerversicherer. Der Verband fühlt sich daher in besonderem Maße zur Einhaltung der Regeln des europäischen und deutschen Kartellrechts verpflichtet.
Der Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft e.V. veröffentlicht die nachfolgende Compliance-Leitlinie, mit der der Verband sein Bekenntnis zur unbedingten Einhaltung des Kartellrechts zum Ausdruck bringt.
In Deutschland ergibt sich das Kartellverbot aus § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Danach sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Zusätzlich gilt das EU-Kartellverbot, wenn die in § 1 GWB genannten Praktiken geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Art. 101 Absatz 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)).
Somit verbietet das Kartellrecht Vereinbarungen über Preise, Geschäftsbedingungen usw. Dieses Verbot beschränkt sich nicht auf ausdrückliche, insbesondere nicht auf schriftliche Erklärungen, sondern es erfasst auch Vereinbarungen, die durch sogenanntes schlüssiges Verhalten getroffen werden. Daneben verbietet das Kartellrecht auch sogenannte abgestimmte Verhaltensweisen der Unternehmen, die zu einem ähnlichen Ergebnis führen.
Verbände sind notwendige Einrichtungen zur Formulierung und Durchsetzung verbands- und industriepolitischer Ziele. Außerdem wirken sich Mitgliedschaften in Verbänden und Mitarbeit in den Gremien im Hinblick auf die Mitglieder effizienzsteigernd aus und kommen allen Mitgliedern unmittelbar zugute.
Obwohl Verbände keine „Unternehmen“ im engeren Sinne sind, stehen sie seit jeher unter wettbewerbspolitischer Beobachtung. Das Kartellrecht nimmt Verbände in die Pflicht, denn auch sie können durch ihr Verhalten Wettbewerbsbeschränkungen bewirken.
Es ist zu verhindern, dass Mitgliedern ein Forum für verbotene wettbewerbsbeschränkende Absprachen geboten wird. Verboten sind Verhaltensweisen und Beschlüsse, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Auch verbotene Absprachen über das Wettbewerbsverhalten, insbesondere Boykottaufrufe, sind untersagt. Für Verbände gilt grundsätzlich nichts anderes als für sonstige Unternehmen: Sie haben ein Verhalten (in Beschlüssen oder in Vereinbarungen sowie in abgestimmten Verhaltensweisen) zu unterlassen, das zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führen kann.
Die Kartellbehörden verfolgen Kartellrechtsverstöße mit zunehmender Intensität. Gegenüber Unternehmen, Verbänden und handelnden Personen können sehr hohe Bußgelder verhängt werden.
Der GVNW hat im Folgenden Grundsätze für die Arbeit des Verbandes innerhalb und außerhalb der Gremien aufgestellt:
Diese Compliance-Leitlinie dient der Vorbeugung von Kartellverstößen beim GVNW. Sie richtet sich an die Organe, Mitglieder sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des GVNW. Ihr Ziel ist es, über die wichtigsten Verbote des Kartellrechts aufzuklären und klare Verhaltensanforderungen aufzustellen, um Verstöße zu vermeiden.
Einen vollständigen Überblick über die vielfältigen Aspekte des Kartellrechts kann diese Compliance-Leitlinie allerdings nicht geben. Vielmehr konzentriert sie sich auf die Darstellung der wesentlichen Konsequenzen, die für die tägliche Verbandsarbeit von Bedeutung sind. Bei weitergehenden Fragen muss entsprechender Rechtsrat eingeholt werden.
Die Einhaltung dieser Regeln ist für alle an der GVNW-Verbandsarbeit Mitwirkenden verbindlich und dient damit auch dem Schutz des Verbandes und seiner Mitglieder.
Vorrangig dienen Verbandssitzungen zwar der Erörterung politischer Themen. Gleichwohl findet das Kartellrecht auf die Verbandsarbeit uneingeschränkt Anwendung.
Sitzungen des Verbandes und der Verbandsgremien (einschließlich der Ausschüsse) werden stets mit einer möglichst detaillierten Tagesordnung vorbereitet. Wettbewerblich sensible Themen werden grundsätzlich nicht zum Gegenstand von Verbandssitzungen und der Gremienarbeit gemacht.
Insbesondere dürfen Unternehmen im Rahmen von Verbandssitzungen grundsätzlich keine Informationen zu Themen austauschen, die das Kartellrecht und den sogenannten Geheimwettbewerb verletzen und bei denen es sich um unternehmensinterne Informationen oder Daten handelt. Auch Absprachen über individuelle Prämien, Prämienbestandteile, Rabatte und Zuschläge sowie Informationen über Unternehmensstrategien und gegenwärtiges oder künftiges Marktverhalten sind unzulässig.
Im Rahmen von Verbandssitzungen dürfen Unternehmen grundsätzlich Informationen zu ihrem jeweiligen Themenkreis austauschen, z.B. über aktuelle Gesetzesvorhaben und deren Folgen für die Gesamtheit der Mitgliedsunternehmen oder über aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen.
Die Kriterien für zulässige bzw. unzulässige Themen gelten neben der eigentlichen Verbandssitzung auch für Pausen, Rahmenveranstaltungen und die zugehörige Korrespondenz.
Der Sitzungsleiter weist die Teilnehmer zu Beginn der Sitzung auf kartellrechtskonformes Verhalten hin. Er stellt gemeinsam mit dem hauptamtlichen Mitarbeiter sicher, dass es während der Verbandssitzung nicht zu unzulässigen Beschlüssen, Absprachen, Gesprächen oder spontanen Äußerungen zu kartellrechtlich relevanten Themen kommt. Der Sitzungsleiter weist gemeinsam mit dem hauptamtlichen Mitarbeiter Sitzungsteilnehmer, die sich nicht kartellrechtskonform verhalten, unverzüglich darauf hin. Der Sitzungsleiter sollte die Diskussion oder notfalls die gesamte Sitzung abbrechen oder vertagen, soweit eine rechtliche Klärung notwendig erscheint.
Die Sitzungsteilnehmer sollten den Abbruch oder die Vertagung einer Diskussion oder Sitzung fordern, sofern sie Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit haben. Diese Forderung muss protokolliert werden. Sitzungsteilnehmer sollten bei Fortsetzung einer kartellrechtlich bedenklichen Diskussion die Sitzung verlassen. Das Verlassen eines Sitzungsteilnehmers muss mit Name und Zeitangabe protokolliert werden.
Über die Ergebnisse der Sitzungen einschließlich der dort gefassten Beschlüsse wird ein korrektes, vollständiges und genaues Protokoll geführt. Sollte die Tagesordnung einen Punkt „Verschiedenes“ enthalten, werden sämtliche unter diesem Tagesordnungspunkt behandelten Themen in dem Protokoll im Einzelnen festgehalten. Die Sitzungsteilnehmer prüfen die Protokolle nach Erhalt auf korrekte Wiedergabe der Sitzung und ihrer Beschlüsse. Sie weisen den GVNW unverzüglich auf unvollständige oder falsche Protokollierungen, insbesondere zu kartellrechtlich relevanten Themen hin und fordern eine Korrektur.
Der GVNW als Verband wird das Wettbewerbsverhalten seiner Mitgliedsunternehmen nicht durch Empfehlungen so steuern, dass es einer kartellrechtswidrigen Verhaltensabstimmung zwischen den Unternehmen entspräche. Hier gilt die Grundregel, dass der Verband den Mitgliedsunternehmen weder direkt noch indirekt ein Verhalten empfehlen oder nahe legen darf, das auf kartellrechtswidrige Absprachen, gleichförmiges Marktverhalten oder entsprechende Empfehlungen des GVNW hindeuten würde.
Unerheblich ist, wie eine Empfehlung ausgekleidet ist (Best Practice, Rundschreiben, Positionspapier, Pressemitteilung, etc.), ob sie als unverbindlich bezeichnet wird und ob die Adressaten sie befolgen.
Zulässig sind in der Regel Formulierungen, die sich auf die objektive Wiedergabe der Marktlage und der Marktentwicklung beschränken, sowie Darstellungen aller sinnvollerweise in Betracht kommenden Reaktionsmöglichkeiten, wobei nicht einseitig eine bestimmte Variante bevorzugt werden darf.
Marktinformationsverfahren und sonstige Statistiken sind nur zulässig, wenn sie einem legitimen Zweck dienen und offiziell über den GVNW oder eine andere neutrale Stelle geführt werden, die nur anonymisierte und nicht-identifizierbare aggregierte Gesamtdaten veröffentlicht. Der GVNW trägt dafür Sorge, dass die von ihm geführten Marktinformationsverfahren den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Unternehmensbezogene Daten dürfen im Rahmen von Marktinformationsverfahren nur in den dafür vorgesehenen Verfahren übermittelt werden, nicht jedoch in Verbandssitzungen.
Durch einen wirtschaftlichen Boykott wird der Betroffene ganz oder teilweise vom üblichen Geschäftsverkehr ausgeschlossen und damit in seiner Existenz bedroht. Der GVNW wird daher nicht zu Boykottmaßnahmen gegenüber bestimmten Unternehmen auffordern. Unerheblich ist dabei, ob die Adressaten der Aufforderung auch nachkommen.
Der GVNW ist grundsätzlich frei in seiner Entscheidung über neue Mitglieder. Er hat die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in seiner Satzung geregelt. Der GVNW wird einen bestehenden kartellrechtlichen Aufnahmeanspruch eines Unternehmens, das Mitglied des GVNW werden will, respektieren.
Die Aufnahme eines Unternehmens darf der GVNW als Wirtschaftsvereinigung nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens führen würde.
Alle Mitglieder des GVNW werden aufgefordert, die in den Compliance-Leitlinien niedergelegten Grundsätze unbedingt zu beachten und an deren Umsetzung in der täglichen Verbandsarbeit mitzuwirken. Die Befolgung der Compliance-Leitlinien liegt im unmittelbaren Interesse der Organe und der Mitglieder des GVNW.
Bonn, den 01.08.2016